"Mama!"

"Setz dich hier hin!"

Obwohl der Zug voll besetzt ist, hört man die grelle Stimme der Mutter der den ganzen Wagen. "Was wirst du heute machen?" - das Kind versucht, die eiserne Miene der Mutter irgendwie zu durchbrechen, doch keine Chance. Die Mutter sitzt mächtig auf ihrem Platz, starrt in ihre Zeitung, man hat den Eindruck, als versuche sie sogar diese noch extra gefügig zu machen. Das Kind sitzt daneben, versucht immer wieder, etwas von der Mutter zu erfahren, sie für sich zu gewinnen.

Plötzlich steckt sie die Zeitung genervt auf die Seite, dreht sich wortlos zu ihrem Sohn um und noch im selben Moment wischt sie ihm mit Spucke auf einem Taschentuch etwas aus dem Gesicht, wie es Mütter oft bei jungen Kindern machen. Doch die Handlung sieht eher grob als liebenswürdig aus, jeden Moment wartet man auf das "Aua!" des Sohnes. Doch es kommt nicht.

Als die Station gekommen ist, verabschiedet sich der Bub mehrere Male von der Mutter, will ihr ein Bussi geben. Sie weist ihn mit einem schlichten "Tschüss" in die Schranken, rutscht zum Fenster und im selben Moment versteckt sie ihren Kopf schon hinter der Zeitung von vorhin, noch bevor die Türen zum Aussteigen offen sind. Eiserner Blick, zusammengepresste Lippen, als würde sie durch das Papier hindurchsehen.

Endlich aus dem Zug rausgekämpft steht der Bub vor dem Fenster und winkt der Mutter. Sie sieht ihn nicht, will ihn nicht sehen. Er winkt heftiger, bewegt sich, sein verzweifelter Gesichtsausdruck jagt einem Schaudern über den Rücken. Er rennt noch in Richtung Türe, man hört ihn "Mama" schreien und sieht ihn winken, doch vom Platz der Mutter regt sich weiterhin nichts.

Sie schaut durch ihre Zeitung, als die Garnitur abfährt und der Sohn wegen dem Winken noch seinen eigenen Anschluss verpasst. Er steht am Bahnsteig, betrübt, die winkende Hand sinkt langsam nach unten.

Und er wird morgen wahrscheinlich wieder winken. Diese Szene beobachte ich nahezu jeden Tag und sie tut jedes Mal mehr weh....
0111000001100110 - 22. Sep, 21:49

genau auf solche mütter kann die welt verzichten. jedes kind hat was besseres verdient.

creature - 22. Sep, 21:57

da wird mir immer übel bei sowas, denkt man wieviele junge seelen in vergangenheit, jetzt und in zukunft für ihr leben gestört werden und dieses wieder weitergeben an zukünftige generationen, dabei braucht die welt nichts dringender als viele menschen, die mit sich und der welt im frieden und einklang leben können....

alexander lowen, alice miller, erwin ringel, erich fromm und bert hellinger haben sich viel mit diesen themen beschäftigt!
mandarine - 22. Sep, 22:40

...

Es tut weh, genau das zu sehen, vor dem man selbst viel zu spät geflüchtet ist...

creature: Danke für den Nachsatz (passend zu meinem Vorsatz, mir wieder Zeit für Bücher aus Papier zu nehmen.. :)!
witha - 26. Sep, 11:14

???

du beobachtest diese szene jeden tag? du siehst jeden tag zu und sagst keinen ton??
es tut DIR weh??? was bist du?? ein zuschauer, der mitleidet, wenn andere leiden, aber nichts dagegen unternimmt??
ein zitat, welches mir spontan zu dir einfällt:
wir sind nicht nur verantwortlich für die dinge, die wir tun, sondern auch für die, die wir geschehen lassen....

mandarine - 26. Sep, 12:42

Soll ich zu ihr hingehen und ihr sagen, dass sie eine Rabenmutter ist, nur weil ich sie ab und an in der U-Bahn sehe mit ihrem Sohn?! Soll ich ihr sagen, was und wie sie zu machen hat, nur weil mir etwas nicht passt?

Was würde ich mit Menschen machen, die mich scheinbar aus heiterem Himmel anfliegen? Sie weiß wahrscheinlich gar nicht, dass u.a. diese Szene manchen Menschen auffällt.

Ich denke schon, dass gerade solche Probleme nicht 'mal eben' und im Vorbeigehen zu lösen sind. Da steckt mehr dahinter, als Morgenmuffeligkeit der Mutter - und es gehört auch mehr dazu, als ihr zu sagen, was man sich dabei denkt. Dafür wären die 10 Minuten im gemeinsamen Zug definitiv der falscher Ort, die falsche Umgebung, ich als bis dato unbekannte Person würde in einer solch vertrauenverlangenden Situation nur noch mehr Schaden anrichten, als Positives bewirken!

Wie soll sich die Mutter auf mein Wort verlassen können und sich ev. auch darüber Gedanken machen, wenn sie mich nicht ansatzweise kennt und nicht weiß, wie sie mich einzustufen hat? Vertrauen ist auch bei solchen Angelegenheiten ein ganz großer Stichpunkt, sonst geht so mancher Schuss nach hinten los - und das schneller, als man denkt.

Und willst du das dem Kind antun? Dass es die Mutter zusätzlich noch ständig dafür beschuldigt, warum sie von wildfremden Leuten angesprochen wird wegen ihrem Sohn, warum sie so und nicht so ist, dass sie ihrem Sohn vll. dann jegliche letzte Freiheiten auch noch abspricht, nur um derartige 'Vorfälle' in Zukunft zu unterbinden?!

Soviel Fachfrau bin ich wohl, dass ich mir zutraue, den richtigen Moment und Folgen des falschen Zeitpunktes auszumachen und abzuwiegen - und entsprechend zu handeln. Es zeugt nämlich weder von qualifiziertem Wissen noch vom Zivilcourage, ohne Bedenken der Folgen einfach zu handeln und alles Weitere einfach geschehen zu lassen!! Hilfe ist nicht, zusätzlichen Schaden anzurichten.....


Ganz abgesehen davon: Wenn du an einem weiteren Gespräch interessiert bist, dann höre mit sofortiger Wirkung auf, mich zu beleidigen und bleibe sachlich!
creature - 26. Sep, 12:50

@mandarine

ich hab schon nachgedacht was ich an deiner stelle geantwortet hätte, es wäre ähnlich ausgefallen!
in solchen situationen kannst nicht`s machen, da ja auch offensichtlich keine gewalt im spiel ist sondern auf einer subtilen ebene passiert.
in dem fall hat offensichtlich die mutter eine gefühlsstörung und das läßt sich nicht im vorbeigehen lösen, sie würde dem nur massiven wiederstand entgegensetzen!
mandarine - 26. Sep, 13:01

creature,

Eben das ist es, was ich meine! :)
casaubon - 28. Sep, 16:08

ich

würde dem jungen ein lächeln schenken und ihm mal winken. wobei die mutter wohl besser nichts von mitbekommen sollte. solche situationen sind scheiße...
mandarine - 28. Sep, 19:47

Ein Lächeln verschenke ich gerne und oft.... :)
freilich - 29. Sep, 00:00

:-(

habe selber zwei söhne und weiß wie "dankbar" sie für mütterliche aufmerksamkeiten sind.
jetzt muss ich was ganz gemeines sagen: hoffentlich zahlt sie ihm wenigstens den pychiater, wenn er dann gestört erwachsen wird.

mandarine - 29. Sep, 00:13

Das würde nicht ins Bild passen....
freilich - 29. Sep, 11:38

ich kenn einen psychologen näher. ich glaub er hat einmal gesagt, dass man eltern für sowas belangen kann.
mandarine - 29. Sep, 19:00

Echt wahr? Was es nicht alles gibt....
freilich - 29. Sep, 19:20

und in amerika könnt man wohl einen haufen schmerzensgeld einklagen. aber das machen sie eher mit firmen, das wirft was ab ;-)
mandarine - 29. Sep, 19:29

Hm vll. bin ich fies und amerikanisch angehaucht, aber so schlecht finde ich die Idee gar net *pfeif*.

Hätte schon zwei Elternteile und auch ne "Firma"..... *g*
freilich - 30. Sep, 12:21

nüchtern betrachtet wäre es ja fast sogar selbstverständlich: denn wenn jemand schaden anrichtet wird er dafür belangt, im normalen leben, oder etwa nicht? PS: bin grad mit dem auto in ein anderes reingefahren... passt irgendwie dazu.
vielleicht könnte man ja eine versicherung anbieten, die für allfällige psychische schädigungen der kinder aufkommt ;-) jetzt bin ich fies
mandarine - 30. Sep, 20:20

Auwei, eh nix passiert?

Hm das mit der Versicherung wäre eine gute Idee - aber Versicherungen sind i.d. Regel freiwillig - versichern lasse ich mich aber nur gegen bzw. für Zustände, deren Eintreffen ich als realistisch oder zumindest möglich einstufe - Frage des Tages: Wird sich wirklich irgendwer bewusst als psychisch schadhaft für seine Nachkommen deklarieren und daher versichern lassen? ..... ;-)
freilich - 30. Sep, 23:48

hast recht, wär kein gutes geschäft. außer man würde die menschheit vorher dahingehend manipulieren und sagen, dass eltern zahlen müssen, wenn sie etwas verbockt haben, hohe summen nämlich. dann würden sie angst bekommen und sich versichern lassen. ;-)

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